Korrekturfächer und Korrekturfachlehrer



In den letzten Jahren ist die Belastung der Korrekturfachlehrer deutlich gestiegen, weil Lernstandserhebungen und Zentrale Prüfungen eingeführt wurden. Das Ministerium glaubt, dass die Überprüfung der Lernleistung in den einzelnen Fächern am besten durch zentral gestellte, kognitive und schriftlich abfragbare Aufgaben gemessen werden kann. Besonders die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch haben dadurch einen ganz anderen Stellenwert bekommen.

In der Schule wird seit jeher zwischen Haupt- und Nebenfächern unterschieden. Für Schülerinnen und Schüler sind es die Fächer, für die man „was tun muss oder nichts tun muss“. Erst in der Oberstufe wird diese Einschätzung etwas anders, wenn man in Leistungskursen erkennt, dass auch so genannte Nebenfächer ein ganz schön breites und tiefes Erkenntnispotenzial haben, für dessen Erschließung man eine Menge Arbeit aufwenden muss.

Studenten, die Lehrer werden wollen, haben ihre alte Schulzeit noch gut in Erinnerung und sich für das Lehrerstudium u.a. deswegen entschieden, weil Sie Spaß an der Erziehung junger Menschen, an der Weitergabe von Wissen und Erfahrungen haben. Beim Studium spielt die besondere Vorliebe für bestimmte Fächer eine große Rolle. Da entscheidet sich einer nicht für Philosophie oder Französisch, weil er den späteren Arbeitsaufwand ins Auge fasst. Diejenigen, die zwei Korrekturfächer gewählt haben, werden erst in ihrem späteren Lehrerdasein mit der Realität konfrontiert.
Und die kann sehr bitter sein, wenn man z.B. später im Gymnasium oder im Berufskolleg landet, die Fächer Deutsch und Englisch unterrichtet, die an sich interessant sind und viel Spaß machen, wenn da nicht die übermäßigen Korrekturen wären. Jemand, der mit diesen beiden Fächern in der Sekundarstufe II mit 25 Stunden in der Woche eingesetzt ist, muss unter Umständen mit Hunderten Klausuren im Schuljahr rechnen. Dass eine Klausur nicht in 12,5 Minuten korrigiert werden kann, wie der statistische Durchschnittswert eines Verwaltungsgerichts dies behauptet, wird sogar jedem Laien schnell klar. Dazu kommen dann noch die Abiturprüfungen, das Fachabitur, Facharbeiten und Zweitkorrekturen.




Im Zeitalter einer Gesellschaft von rechtsschutzversicherten Eltern, die für eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Schule nichts bezahlen brauchen, müssen dazu die Korrekturen und Noten  noch rechtssicher verfasst sein. Auch wenn es nicht zu einem Widerspruch kommt, so ist das Anspruchsdenken an Korrekturen in den letzten Jahren gewaltig gestiegen:

„Jessica hat das gleiche geschrieben und dafür 3 Punkte mehr bekommen als ich…“
„Bei Alexandra haben Sie zwei Fehler übersehen; die hat aber eine 2 und ich eine 3…“
„Warum haben Sie unter die Klausur meiner Tochter nichts drunter geschrieben? In der Schule, in der sie vorher war, stand immer eine ausführliche Begründung für die Note darunter!“
„Warum steht unter der Arbeit meines Sohnes nichts Positives? Schüler sollen doch gelobt werden. Liegt Ihnen daran gar nichts?“
„Warum sind Ihre Bemerkungen unter der Arbeit meines Sohnes so kritisch und vorwurfsvoll? Kritik soll doch aufbauend sein! Kein Wunder, dass mein Sohn bei Ihnen immer Fünfen schreibt!“
Jede Kollegin und jeder Kollege kennt die Schlange von Schülern, die sich nach der Rückgabe der Klassenarbeit protestierend zum Pult hin bewegt, wenn man oberflächlich gearbeitet hat – ganz abzusehen von den Protesten der Eltern am Elternsprechtag.

Arabische Schule muss für schlechtes Zeugnis zahlen

Dubai – Im Emirat Dubai müssen nicht Schüler, sondern Lehrer vor schlechten Noten zittern: Weil ein 7jähriger ein miserables Zeugnis nach Hause brachte, klagten die Eltern. Ein Gericht urteilte: Die Privatschule muss der Familie 77500 Dirham (16117 Euro) als „moralische und finanzielle Entschädigung“ für die „Fahrlässigkeit“ zahlen. (Quelle: Gulf News 4.3.2013)




Unabhängig von dem Arbeitsaufwand für die Unterrichtsvorbereitung und den Nervenaufwand für die Durchführung des Unterrichts in den einzelnen Fächern ist die Nacharbeit eben unterschiedlich. Der Kollege mit Sport oder Musik schleppt nämlich nicht jede Woche mehrmals eine dicke Tasche mit Heften nach Hause. Der braucht auch nicht Abende, Nächte oder Wochenenden für die Korrekturen zu opfern. Oft betrifft es sogar die Ferien. Das ist ganz objektiv gesehen ein höherer Zeitaufwand, d.h. eine solche Kollegin oder ein solcher Kollege arbeitet objektiv länger als jemand ohne Korrekturfächer.
Die Formulierung „Ein solcher Kollege arbeitet objektiv länger als jemand ohne Korrekturfächer “ ist natürlich auch nicht objektiv, sondern es kommt immer auf die individuelle Einstellung zur Schule und den Unterrichtsfächern an.
So schreibt mir ein Kollege: „Als engagierter Musiklehrer habe ich soeben meine Herbstferien damit verbracht, einige Stücke für Chor und Big Band zu arrangieren. Dies dauert pro Stück je nach Aufwand etwa 2-5 volle Arbeitstage – für das geplante Musical haben wir 15 Stücke. Mein Arbeitsaufwand ist also auch in diesem Fach nicht zu verachten. Die Stunden, die ich jede Woche mit meinem Zweitfach Chemie länger als meine Deutsch- und Fremdsprachkollegen in der Schule bleibe, weil in der Sammlung sehr viele Gegenstände sind, die ehrlich und wahrhaftig der Pflege und Arbeit bedürfen, habe ich leider noch nicht so genau gezählt. Jedenfalls bin ich oft der letzte in der Schule – nach den Hausmeistern und den Schulleitern.“Dazu kommen noch folgende Punkte:

  • Kolleginnen und Kollegen mit Korrekturfächern sind in den Klassen wöchentlich mit einer höheren Stundenzahl vertreten. Das hat zwar den Vorteil, dass sie im Durchschnitt weniger Klassen unterrichten und die Schülerinnen und Schüler besser kennen, was aber gern von den Schulleitungen als Argument für die Klassenlehrertätigkeit ausgenutzt wird.
  • Die obligatorischen Lernstandserhebungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch in der Klasse 8 bedeuten einen zusätzlichen Korrekturaufwand; dazu kommen noch die Auswertung der Testbögen und Speicherung auf dem Server des Ministeriums.
  • Die Zentralen Prüfungen in Klasse 10 erfordern neben den Korrekturen und Zweitkorrekturen zusätzlich die Anwesenheit und Beurteilung der Leistungen bei mündlichen Prüfungen.
  • Die obligatorischen Klausuren für alle Schüler in der Jahrgangsstufe 13 in den Fächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen inklusive aller Zweitkorrekturen bedeuten eine zusätzliche Belastung, zumal in den Grundkursen der anderen Fächer jeweils nur ein geringer Teil der Schülerinnen und Schüler eine Kursarbeit schreibt.

Damit sind die Lehrerinnen und Lehrer mit Korrekturfächern noch deutlicher in den Focus der Überprüfbarkeit und des Leistungsdrucks gedrückt worden. Es wurmt sie, dass Kolleginnen und Kollegen mit bestimmten Nebenfächern nicht kontrolliert werden und keinen Stress haben. Es ist natürlich auch so, dass die Schulleitungen in den meisten Fällen nur die regelmäßige Vorlage von drei Klassenarbeitsheften verlangen. Und das wiederum trifft nur die schriftlichen Fächer; welche Schulleiterin und welcher Schulleiter macht sich schon die Arbeit und lässt sich regelmäßig Erdkundehefte, Geschichts- oder Biologiemappen vorlegen? Kein Wunder, dass die Korrekturfachlehrerinnen und Korrekturfachlehrer gefrustet sind. Auf der Webseite ihres Verbandes habe ich den treffenden Satz gelesen:

Korrekturfachlehrer haben im wahrsten Sinne des Wortes das Nachsehen

Allerdings muss auch das Nachsehen differenziert betrachtet werden: Es ist eindeutig leichter, Mathematikarbeiten zu korrigieren als Deutscharbeiten oder Englischarbeiten. Hier zeigt  sich wiederum, dass Korrekturfächer auch nicht pauschal behandelt werden dürfen.

Was ist also zu tun?

Da kaum damit zu rechnen ist, dass die Politiker plötzlich ein Herz für die Lehrer entdecken und deren Arbeitszeit senken oder die Klassen kleiner machen, ist Selbsthilfe die einzige Hilfe. Hier meine Ratschläge:

1. Nutzen Sie die gesetzlichen Grundlagen aus und führen Sie Konferenzbeschlüsse durch!

Das Schulgesetz bildet im § 93 die gesetzliche Grundlage, auf die Sie sich berufen können. Danach regelt das Schulministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium durch Rechtsverordnung die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden für Lehrerinnen und Lehrer. Diese Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs.2 SchG wird  jährlich im Mai oder Juni angepasst und wird schulintern als „AVO-Richtlinie – AVO“ bezeichnet. Sie finden sie in der BASS 11-11 Nr.1. In der derzeit gültigen Fassung für das Schuljahr 2014/2015 vom 24.3.2014 heißt es:

§ 3 Pflichtstunden-Bandbreite

(1) Eine unterschiedliche zeitliche Inanspruchnahme von Lehrerinnen und Lehrern durch besondere schulische Aufgaben und besondere unterrichtliche Belastungen soll in der Schule ausgeglichen werden. Soweit dies im Einzelnen erforderlich ist und die besonderen Belastungen sich nicht aus dem Inhalt des Amtes ergeben, können die in § 2 Abs. 1 genannten Werte unterschritten oder um bis zu drei Pflichtstunden überschritten werden. Die Abweichungen müssen sich in der Schule insgesamt ausgleichen. Die Verteilung der Anrechnungsstunden nach § 2 Abs. 5 ist zu berücksichtigen.

(2) Über Grundsätze für die Festlegung der individuellen Pflichtstundenzahl entscheidet die Lehrerkonferenz auf Vorschlag der Schulleiterin oder des Schulleiters. Die Entscheidung im Einzelnen trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter.

3.1 (zu § 3 Abs. 1)

3.1.1 Mit der Bandbreitenregelung erhalten die Schulen ein zusätzliches Instrument, um besonderen individuellen Belastungen besser gerecht werden zu können. Ziel der Regelung ist es, in der einzelnen Schule eine möglichst ausgewogene Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Lehrerinnen und Lehrern zu erreichen. Die Schulleiterin oder der Schulleiter und die Lehrerkonferenz sind verpflichtet, unter Berücksichtigung des Unterrichtsbedarfs für eine möglichst gleichmäßige Belastung der Lehrerinnen und Lehrer Sorge zu tragen.

Ein Anspruch auf Reduzierung des Unterrichtsdeputats einer Lehrerin oder eines Lehrers besteht nicht. Der Belastungsausgleich darf insbesondere nicht zu einer ernsthaften Beeinträchtigung der Unterrichtsversorgung führen. Die Abweichungen vom Ausgangswert müssen sich in der einzelnen Schule insgesamt ausgleichen, damit das Unterrichtsvolumen erhalten bleibt. Die Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden nach § 2 Absätze 2, 3 und 5 bleiben neben der Bandbreitenregelung bestehen.

Die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden ist Ausgangswert einer Bandbreite, innerhalb der innerschulisch das Unterrichtsdeputat der Lehrerinnen und Lehrer im Einzelnen jeweils für ein Schuljahr festgesetzt wird. Korrespondierend mit der zeitlichen Inanspruchnahme durch besondere unterrichtsbezogene Belastungen und außerunterrichtliche Aufgaben sowie den schulformspezifischen Notwendigkeiten kann das Unterrichtsdeputat die jeweils arbeits- und dienstrechtlich geschuldete Zahl der wöchentlichen Pflichtstundenunterschreiten oder bis zu drei Stunden überschreiten. Beträgt die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden 28, soll eine Überschreitung um drei Stunden nur im Ausnahmefall erfolgen.

3.1.2 Für teilzeitbeschäftigte Lehrerinnen und Lehrer reduziert sich die zulässige Überschreitung anteilig entsprechend ihrer arbeits- und dienstrechtlich geschuldeten Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden; dabei sind Stundenbruchteile abzurunden.

3.1.3 Für schwerbehinderte Lehrerinnen und Lehrer gilt Nr. 2.4.2 entsprechend.

3.2 (zu § 3 Abs. 2)

Nr. 2.5.2 und 2.5.3 Satz 1 gelten entsprechend. Die Verfahrensregelung ist wie bei den Anrechnungsstunden darauf angelegt, dass die Grundsätze für die Festsetzung des Unterrichtsdeputats möglichst im Konsens zwischen Schulleitung und der Lehrerkonferenz festgelegt werden. Bei der Anwendung der Bandbreitenregelung sind die bei der Verteilung der Anrechnungsstunden und der Sonderaufgaben getroffenen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Schulleiterin oder der Schulleiter und die Lehrerkonferenz haben dafür Sorge zu tragen, dass über Anträge einzelner Lehrerinnen und Lehrer im vorgeschriebenen Verfahren entschieden wird. Der Antrag und die Entscheidung sind aktenkundig zu machen.

Der entscheidende Punkt ist der letzte Satz der AVO: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter und die Lehrerkonferenz haben dafür Sorge zu tragen, dass über Anträge einzelner Lehrerinnen und Lehrer im vorgeschriebenen Verfahren entschieden wird. Der Antrag und die Entscheidung sind aktenkundig zu machen.“
Sie müssen also Ihren Antrag entsprechend stellen und vorher dafür sorgen, dass Sie genügend Rückhalt im Kollegium für eine positive Abstimmung haben. Das ist eigentlich gar nicht so schwer, wenn Sie in Fachkonferenzen diese Problematik diskutieren und Ihre Argumente überzeugend darstellen.

Sie könnten ja auch ansatzweise für Erleichterungen sorgen, indem Sie in der Lehrerkonferenz den Beschluss fassen, dass Kolleginnen oder Kollegen mit zwei Korrekturfächern nicht mehr als vier Klassen bekommen, damit die Belastung auf alle gleichmäßig verteilt wird.Oder stellen Sie den Antrag, dass zum Ausgleich der Belastung alle Kolleginnen und Kollegen mit 2 Korrekturfächern von der Pausenaufsicht ausgenommen werden.Vielleicht könnte man in der Lehrerkonferenz darüber nachdenken, dass Kolleginnen und Kollegen mit 2 Korrekturfächern von der Klassenlehrertätigkeit entbunden werden, um einen Belastungsausgleich zu erzielen.Sie finden sicher noch andere Ansatzpunkte. Oft sind es nämlich auch kleine Schritte, die im Endeffekt zu einem Erreichen der Ziele führen. Steter Tropfen höhlt den Stein!

2. Solidarisieren Sie sich mit anderen Kolleginnen und Kollegen, die Korrekturfächer unterrichten.

Das ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, weil jeder weiß, wie Kollegien in bestimmten Fragen reagieren. Fragen Sie doch nur einmal, ob es erlaubt sein soll, während des Unterrichts Kaugummi zu kauen, die Mütze auf dem Kopf zu behalten, zu trinken und zu essen oder wie man reagieren soll, wenn ein Schüler „Hau ab du Arsch“ zu einem Kollegen sagt. Wenn also schon ein Erziehungskonsens in der Schule ein ziemliches Problem darstellt, um wie vieles problematischer ist dann noch ein Konsens über die Arbeitsbelastung in der Schule. Alle Argumente, die ich auf meinen Webseiten Arbeitsbelastung und Bandbreitenregelung aufgeführt habe, werden Sie dann zu hören bekommen und noch einiges mehr. Aber Sie dürfen sich dadurch nicht entmutigen lassen, sondern müssen zäh für Ihre Überzeugung eintreten.

Vielfach sind erst Änderungen im Schulsystem dadurch zustande gekommen, dass Kolleginnen und Kollegen nicht locker gelassen haben. Es könnte ja sein, dass Ihre Schulleitung auch Korrekturfächer unterrichtet und sich aufgeschlossen zeigt. Das schon einmal ein guter Ansatzpunkt. Bohren Sie also nach und ergründen Sie ihre Einstellung! Oder fangen Sie bei der Stellvertretung an. In jedem Fall müssen Sie als Vielkorrigierer Sympathien gewinnen.
Seit einigen Jahren gibt es einen eingetragenen Verband der Korrekturfachlehrer, dessen Internetadresse Sie weiter unten finden. Dort entdecken Sie Gleichgesinnte und sicher auch weitere stichhaltige Argumente.

Sogar das Ministerium muss ein schlechtes Gewissen bekommen haben, denn sonst wären nicht die Hinweise zur Reduzierung der Korrekturbelastung von Lehrerinnen und Lehrern im Amtsblatt April 2009 erschienen. Leider hat es nicht zu einem Erlass gereicht, der in die BASS aufgenommen worden wäre, sondern die Vorschläge sind nur im Serviceteil des Amtsblattes veröffentlicht worden. Sie sind es  wert umgesetzt zu werden.

3. Erleichtern Sie sich selbst die Korrekturen durch bessere Organisation!

Besprechen Sie in den Fachkonferenzen die Möglichkeiten einer geringeren Belastung durch Korrekturen. Die Fachkonferenz ist eine kleinere Gruppe und Ihren Argumenten gegenüber sicher eher aufgeschlossen als die Lehrerkonferenz oder der fachfremd denkende Schulleiter. Hilfreich ist bestimmt ein Brainstorming über Reduzierungsmöglichkeiten. Meine Tipps:

  • Fragen Sie routinierte Kolleginnen und Kollegen, wie viel Zeit diese für die Korrekturen brauchen und wie sie den Aufwand verringert haben. Routine macht nämlich sehr viel aus. In den ersten Jahren des Lehrerdaseins wachsen einem die Korrekturen über den Kopf. Später ökonomisieren Sie das Verfahren ganz von selbst und benötigen nur noch die Hälfte der Zeit.
  • Nehmen Sie keine Hefte oder Klausuren mit in die Ferien. Meine Frau hat mich immer ausgeschimpft, wenn ich Hefte oder Arbeitsblätter mit in die Ferien genommen habe. Ich habe erst nach einigen Jahren begriffen, wie unvernünftig es war, dass ich meine Erholungszeit selbst beschnitten habe. Sie brauchen diese Zeit der Revitalisierung für Ihren Körper und Ihre Psyche. Es darf nicht sein, dass die ersten Tage der Osterferien, Herbstferien oder Teile der Weihnachtsferien dahin sind, weil noch ausstehende Korrekturen zu erledigen sind.
  • Legen Sie eine Korrekturzeit fest und halten Sie diese ein. Überschlagen Sie grob die Zeit, die Sie benötigen und machen Sie danach Schluss. Nachtsitzungen oder Wochenenden schaden Ihnen und der Familie. Sie bringen mehr Stress als die Erleichterung, dass Sie endlich fertig sind. Längere Korrekturen ermüden stark und die Fehlerhäufigkeit nimmt nicht nur zu, sondern die Korrekturzeit pro Heft verlängert sich gewaltig. Besonders dann, wenn Sie sich ein kühles Bier, einen guten Drink oder einen edlen Rotwein dazu genehmigen. Prüfen Sie das einmal nach.
  • Nutzen Sie Freistunden zur Korrektur. Sicherlich ist es erholsam, einen Kaffee zu trinken und mit der Kollegin einen Plausch im Lehrerzimmer zu führen; man könnte sich aber auch den Kaffee mitnehmen, einen leeren Klassenraum suchen und in Ruhe einen Stapel Hefte durchsehen. Man würde dann nach der letzten Stunde keine Tasche voller Hefte mit nach Hause nehmen und in dem Bewusstsein zu Hause ankommen, dass man etwas mehr vom Nachmittag haben würde.
  • Überlegen Sie mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen, ob man keine standardisierte Art der Kontrolle einführen kann. Vielleicht sogar auch eine Begrenzung der Wörterzahl oder Seitenzahl. Beschränkung hat noch keinem geschadet und ist auch eine wertvolle Disziplin, die man sich und den Schülern auferlegt.
  • Den Umfang der Klassenarbeiten und Leistungstests könnte man auch reduzieren. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, das Thema so zu wählen, dass nur das Wesentliche abgefragt wird. Dann braucht die Antwort auch nicht so umfangreich zu sein.
  • Die Dauer einer Klassenarbeit wird in den ministeriellen Vorgaben immer mit …bis zu einer Stunde oder …1-2 Stunden angegeben. Müssen Sie diese Zeiten eigentlich immer voll ausnutzen? Ist es nicht möglich, den Lernzuwachs auch in einer geringeren Zeit oder einem geringeren Umfang zu überprüfen?
  • Verwenden Sie wirklich den Korrekturtag, der in der Abiturverfügung allen Schulen zugestanden wird?
  • In der Sekundarstufe I kann statt einer Klassenarbeit auch eine Leistungsüberprüfung anderer Art erfolgen. Überlegen Sie in der Fachschaft, ob es keine Form gibt, deren Korrektur weniger Aufwand erfordert.
  • Prüfen Sie die Form der Korrektur. Gibt es keine Korrekturverfahren (wie etwa bei den zentralen Arbeiten oder standardisierten Tests), die einheitlich durchgeführt werden können und schneller zum Erfolg führen?
  • Gibt es Möglichkeiten der Selbstkontrolle durch Schülerinnen und Schüler? Muss in allen Fällen der Lehrer korrigieren?
  • Wenn eine Klassenarbeit geschrieben wird, so wird diese unter einem bestimmten Erwartungshorizont korrigiert. Ist es möglich, diesen Erwartungshorizont  und dessen Erreichungsgrad als Kopie in alle Hefte zu legen und damit den Kommentar zu sparen, der sonst zeitaufwändig darunter geschrieben werden müsste?
  • Vielleicht könnte man sich auch eine Anzahl Textbausteine bereitlegen, die man individualisieren kann, um sich dadurch die Kommentare zu erleichtern.

Das sind nur einige Vorschläge und Ansatzpunkte. Sie finden mit Sicherheit noch mehr. Aber danach suchen sollten Sie schon, denn jede der Möglichkeiten entlastet Sie.

4. Machen Sie Vorschläge für ein neues Arbeitszeitmodell!

Wenn an Ihrer Schule ein neues Arbeitszeitmodell beschlossen wird, haben Sie Ihr Ziel erreicht. Das wäre das Höchste der Gefühle. Allerdings wäre es erforderlich, erst einmal im Kollegium diese Modelle vorzustellen und Sympathien für eine Einführung zu gewinnen. Vom Ministerium wird das Mindener Modell favorisiert. Vielleicht hilft es ja schon, wenn die einzelnen Modelle in vervielfältigter Form allen zugänglich gemacht würden, um den Geschmack zu wecken. Vielleicht könnten Sie auch Ihre Schulleitung dazu erwärmen, einen Referenten einzuladen, einmal ein solches Modell vorzustellen…

Das hat dann auch den Landtag beschäftigt. Am 10.11.2010 diskutierten die Abgeordneten über einen Antrag der FDP (Drs.15/481) auf eine Jahresarbeitszeitregelung für Lehrkräfte. Alle waren sich darin einig, dass die Lehrerarbeitszeit ungerecht verteilt sei und dass man neue Arbeitszeitmodelle entwickeln müsse. Alle wollten zwar mehr Gerechtigkeit für die Lehrerarbeitszeit, aber keiner wusste wie. Dabei wurde dem Mindener Modell stark zugesprochen. Allerdings hielt die Ministerin die landesweite Einführung noch für verfrüht, sodass der Antrag an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung zur Beratung und Abstimmung überwiesen wurde.

Im Dezember 2010 machte die Ministerin einen neuen Vorschlag: Bis zu zwei Klausuren in den Fremdsprachen können in der Oberstufe durch entsprechende mündliche Prüfungen ersetzt werden. Der gut gemeinte Vorschlag scheint allerdings etwas realitätsfern zu sein, denn  bei einigem Nachdenken rechnet sich jeder Lehrer schnell aus, wie lange er für diese mündlichen Prüfungen braucht. Auch bei kleinen Kursen dürfte damit immer noch ein kompletter Vormittag ausgefüllt sein.

Dennoch ist dieser Vorschlag in die Tat umgesetzt worden, denn durch einen Erlass vom 17.5.2011 wurde festgelegt, dass in der Sekundarstufe I eine schriftliche Klassenarbeit in den modernen Fremdsprachen einmal pro Schuljahr durch eine gleichwertige Form der mündlichen Leistungsüberprüfung ersetzt werden kann. Ebenfalls wurde die APO-GOSt für die Oberstufe in ähnlichem Sinne geändert.

Natürlich hat sich nicht nur der Landtag Gedanken gemacht, sondern an den Schulen wurde viel diskutiert, wurden verschiedene Modelle durchdacht und ausprobiert und auch neue Ideen in die Tat umgesetzt. An einer Schule hat sich ein „Entlastungsteam“ gebildet und ein interessantes Modell entwickelt, das zu funktionieren scheint und auf allgemeine Zustimmung stößt. Deshalb will ich an dieser Stelle das Modell veröffentlichen und zur Nachahmung empfehlen, wobei ich aber keinerlei Unterstützung in irgendwelchen Fragen geben kann, weil die Schule und die Urheber des Modells nicht genannt werden möchten. Ich will es einfach einmal „Korrektur-Entlastungsmodell“ nennen. Die Grundzüge sehen wie folgt aus:

Korrektur-Entlastungsmodell einer Schule

Vorbemerkung:
Das  „Entlastungs-Team“ unserer Schule hat ein Verfahren entwickelt, die stark korrekturbelasteten Kollegen durch Zeitguthaben vernünftig und merkbar zu entlasten, weil uns keins der vorgefertigten Modelle angebracht und gerecht erschien. Nach Verbesserungen im ersten Jahr und leichten Anpassungen im zweiten, ist sich das Kollegium einig, eine sehr gute Lösung gefunden zu haben.Folgende Grundsätze wurden vorher vom Kollegium festgelegt:1) Keine Mehrarbeit von anderen Kollegen.
Argument: „Ich bin hier in NRW zu 25,5 Stunden Unterricht verpflichtet und nicht für mehr.“2) Es gibt nicht für jede Korrektur Entlastung sondern nur für außergewöhnliche Belastungen.
Argument: „Ein gewisses Korrekturaufkommen ist normal und gehört zum Lehrerberuf.“

3) Keine Unterscheidung zwischen dem Korrekturaufwand der einzelnen Fächer. Anmerkung: Hier wurde am meisten diskutiert. Alle waren sich einig, dass es dort Unterschiede gibt, es aber an dieser Stelle zu weit führen würde, große Unterscheidungen zu machen*.
(Hier die gute Idee eines Kollegen: Alle Kollegen setzen den Korrekturaufwand ihre Fächer ins Verhältnis.
Zum Beispiel:
Mathe – Physik wird 1:1 gesetzt. Das heißt, dass eine Mathekorrektur genauso lange dauert wie eine in Physik. Deutsch – Biologie wird 2,5 : 1 gesetzt. Der Kollege sitzt also zweieinhalb mal solange an einer Deutschklausur wie an einer in Biologie. Die absolute Zeit spielt also keine Rolle (wie soll das auch gehen? Der eine ist ja schneller als der andere.) und so kann kein Kollege „betrügen“.
Hinterher werden alle Fächer ins ungefähre Verhältnis gesetzt und gelten als Multiplikator).
Spätere Anpassungen sind möglich -> siehe 6).

4) Es muss ein einfaches Verfahren sein: Einfach zu verstehen und einfach umzusetzen.
Argument: „Wenn es jeder verstanden hat, gibt es auch kein Ungerechtigkeitsgefühl.“

5) Das Verfahren dient einzig der Korrekturentlastung und nicht der sonstigen Arbeitsentlastung.
Argument: „Eine Baustelle nach der anderen.“

6) Die Vorgehensweise der Verteilung ist nicht in Stein gemeißelt. Vorschläge für Verbesserungen sind willkommen und erwünscht.

Hier unsere Idee kurz erklärt:

  •  Es gibt einen Stundenpool aus dem die Entlastung verteilt wird. Dieser Pool ist mit so vielen Stunden wie möglich zu bestücken. Dazu wurden alle Fachbereiche und Kollegen gebeten ein paar Minuten oder Stunden ihrer Privilegien abzugeben (z.B. Stunden für naturwissenschaftliche Sammlungen, Sportwettkämpfe, IT, Beratung, Schulleitung, usw.).
  • Die Höhe der Entlastung richtet sich nach Anzahl der Klausuren mal Anzahl der Schreiber und Klassenstufe (und nicht nach Anzahl der Kurse mit Klausuren). Die Erstellung jeder Klausur wird pauschal mit zusätzlichen 2-3 Schreibern verrechnet.
  • Von den Punkten, die damit pro Kollege erreicht werden, wird eine Grundbelastung (s. 2)) abgezogen. Die übrigen Punkte werden dann mit den Stunden im Pool verrechnet und den Kollegen (im nächsten Jahr bzw. Halbjahr) gutgeschrieben. Bei Teilzeitkollegen entsprechend ihrer Stundenzahl anteilig.

Dazu müssen die Kollegen, wenn sie Entlastung wollen, eine vorgefertigte Excel Tabelle ausfüllen, sie ausdrucken und unterschrieben bei dem „Verwalter“ abgeben. Die Ergebnisse werden für alle sichtbar im Lehrerzimmer ausgehängt.

So ergibt sich, dass die Kollegen mit 2 Sprachen über 2 Stunden weniger zu unterrichten haben. Mit anderen Entlastungsmöglichkeiten der Stundenverteilung (Vertretungsbereitschaft, Klassenlehrerstunden, etc.) entspricht das einem ganzen Kurs weniger.

Praktisch sieht das dann so aus:

Schauen Sie sich zunächst einmal die Excel- Tabelle an: Entlastung.xls. Folgende Hinweise erhalten die Kolleginnen und Kollegen dazu:

  • Alles, was ihr braucht, sind die Zahlen, wie viele Klassenarbeits-/Klausurschreiber ihr in euren Lerngruppen jeweils habt.
  • Einfach Datei öffnen, Namen eintragen und dann einfach ausfüllen (nur grüne Felder können ausgefüllt werden!).
  • In der ersten Tabelle („Eigene UV“) gebt ihr eure Unterrichtsverteilung ein. Ob ihr dabei „D, 7a“ oder „D7“ oder „7a: Deutsch“ oder … schreibt, ist relativ egal, weil diese Zeile nicht maschinen-, sondern nur menschenlesbar sein muss.
  • In alle weiteren Felder, die euch betreffen, bitte nur Zahlen eintragen. Dann rechnet Excel eure Gesamtpunkte selbständig aus

Eine vollständig ausgefüllte Tabelle sieht dann etwa so aus: Entlastungsbeispiel.xls.

Was dann am Ende dabei herauskommt, ist eine Liste mit Punkten pro Lehrer.
Man sieht relativ schnell, wo der Normalbereich aufhört und eine starke Korrekturhäufung auftritt.
An der Stelle (z.B. 35) macht man einen Cut und zieht von allen Kollegen 35 Punkte (also die Normalbelastung, die der Lehrerjob so mit sich bringt) ab.
Dann nimmt man die Stunden aus dem Sammeltopf und teilt die Stunden (x 45) durch die Punkte. 1 Punkt entspricht dann vielleicht 3,25 Minuten. Bei Kollegen, die dann 70 Punkte haben, entsprechen dann (70 (-35 Grundbelastung)) x 3,25 Minuten = 2,5 U-Stunden. Diese Stunden werden dann als Entlastung in das Stundenkontingent des kommenden (wegen Planung war das erwünscht) Halbjahres eingerechnet.
Je höher die Grundbelastung, desto höher die Entlastung der Korrekturkollegen. Die Höhe der Grundbelastung muss dann jedes Kollegium mit sich selbst ausmachen.
Außerdem gibt es für die Abiturkurse nur im ersten Halbjahr Entlastung. Der Grund ist, dass wir die Stunden der Abiturkurse bis zum Jahresende weiter laufen lassen. Das werden also nach Ostern keine Minusstunden. Das ist die Entlastung für den Abiturstress.
Das ganze muss halbjährlich gemacht werden.

Kommentar der Schule: Wir fahren damit sehr gut. Eine weitere Optimierung wurde bisher nicht gewünscht.

Das ist das Korrektur-Entlastungsmodell dieser Schule. Es ist wert, einmal nachvollzogen und ausprobiert zu werden. Versuchen Sie es!

Thema/TitelInternet-Adresse
Unterstützung findet man beim Verband der Korrekturfachlehrerwww.korrekturfachlehrer.de
Das Arbeitszeitmodell QuAGiSwww.quagis.de
Das Berliner Arbeitszeitmodell des VBE und der CDUwww.vbe-berlin.de
Das Hamburger Modellhttp://www.hamburg.de/bsb/lehrerarbeitszeit/64410/lehrerarbeitszeitmodell/