Lernstandserhebungen und Zentrale Prüfungsarbeiten



Seit den PISA-Ergebnissen sind sich alle Bildungspolitiker einig, dass verbindliche Leistungsziele für die Schulen festgelegt werden müssen, damit bestimmte Kompetenzstufen erreicht werden. Unterschiedliche Ansichten gibt es nur noch über die Verfahren und Kontrollmechanismen. Allerdings sind die Politiker in Nordrhein-Westfalen zu feige (und die einiger anderer Bundesländer auch), bundeseinheitliche Standards mit externen Korrekturen einzuführen. Sie fürchten, dass die Schüler dieses Landes zu schlecht abschneiden könnten und dass dann offenbar würde, wie niedrig hierzulande der Leistungsstand ist
Dann würde damit nämlich auch gleichzeitig deutlich, dass die hohen Abiturientenquoten und Abschlussquoten in NRW nur dadurch erreicht werden, dass die Prüfungsanforderungen in allen Fächern geringer sind.

Die Entwicklung der Lernstandserhebungen von 2004-2010:

Lange Zeit waren die Bildungspolitiker nicht einmal bereit, landeseinheitliche Prüfungsanforderungen zu formulieren. Während die grün-rote Koalition in NRW Lernstandserhebungen in den Klassen vier und 9 forderte, die schul- und schulformbezogen wären, wünschten CDU und FDP landesweit einheitliche Prüfungsanforderungen mit externen Korrekturen. Das wurde nach dem Regierungswechsel ab 2005 dann auch durchgesetzt. Zusätzlich sollen die Ergebnisse in Form eines Schulrankings anonymisiert veröffentlicht werden, um so einen Anreiz zur Verbesserung der Unterrichtsqualität zu bilden. Das geschieht inzwischen schon, und darüber freuen sich manche gar nicht.



Zunächst wurden aber im Herbst 2004 die ersten Lernstandserhebungen mit verbindlichen Testarbeiten in der Primarstufe und der Sekundarstufe I durchgeführt. Mit diesen sollten die Lehrerinnen und Lehrer die Leistungen ihrer Klassen schulübergreifend einordnen und an ausgewiesenen Anforderungen und Standards messen. Im Zeichen einer verstärkten Entwicklung zu mehr Selbstständigkeit der Einzelschule vollzog sich ein Wandel von einer Input-Orientierung zur Output-Orientierung, in der die Lernergebnisse  einen zentralen Stellenwert gewinnen sollten. Allerdings natürlich auch wieder mit einem nicht zu vertretenden hohen Aufwand an Vorarbeit, Korrekturarbeit und Auswertung. Allein das Rückmeldeverfahren an die Schüler und Eltern beanspruchte 11 Seiten pro Neuntklässler! Das bedeutete, dass in den Schulen bei dieser Aktion mindestens jeweils 1000 Seiten Papier auszudrucken (nicht zu kopieren!) waren. Diese Bögen mussten dann noch sortiert, geheftet und verteilt werden. Da  musste man sich fragen, ob dieses Feedback-Verfahren nicht etwas einfacher hätte durchgeführt werden können.

Inzwischen haben die verantwortlichen Behörden das begriffen, denn der Vergleichstest für die Grundschulen(VERA) war weniger aufwändig. Das zeigt sich darin, dass die Aufgaben im Fach Deutsch nunmehr zentral gestellt wurden, in Mathematik konnten Aufgaben mit eigenen schulischen Schwerpunkten gewählt werden. Der Wegfall der Aufgabenauswahl in Deutsch ermöglichte auch den zentralen Druck der Aufgabenhefte für alle Grundschulen in NRW, allerdings mussten die Mathematikaufgaben immer noch von den Schulen in eigener Regie vervielfältigt werden.

Weitere Informationen zu den Vergleichsarbeiten finden Sie auf der Webseite des Schulministeriums zur Schulentwicklung.



Nach einigen Vorlauftests für alle Schulformen wurde dann im Mai 2006 die Grundsatzentscheidung getroffen, dass ab 1.8.2006 keine Parallelarbeiten mehr zur Leistungsfeststellung geschrieben werden müssen. Von diesem Zeitpunkt ab stellte man mit den zentralen Lernstandserhebungen, den zentralen  Abschlussüberprüfungen in Klasse 10 und den zentral gestellten Abituraufgaben zentrale Instrumente der Standardsicherung zur Verfügung. Gleichzeitig entfiel ebenfalls die Verpflichtung zur Durchführung von abgesprochenen Klausuren in der gymnasialen Oberstufe.

Um die Lernstandserhebungen noch besser zur Förderung zu nutzen, wurden sie von Klasse 9 nach Klasse 8 vorgezogen. Die Ergebnisse werden künftig zu den Beurteilungsbereichen „Schriftliche Arbeiten“ und „Sonstige Leistungen im Unterricht“ bei der Leistungsbewertung herangezogen. Deshalb wurde auch die Zahl der Klassenarbeiten im Jahrgang 8 um eine reduziert. Der zeitliche Umfang der Tests soll in Zukunft auf zwei Schulstunden begrenzt werden. Auch die Berichterstattung wurde für die Schulen vereinfacht.

Nutzen Sie stärker die Online-Rückmeldung!
„Das Ministerium geht davon aus, dass es bei der Entwicklung und Durchführung der Lernstandserhebungen 2005 im Vergleich zum Vorjahr große Fortschritte gemacht habe. Das gelte sowohl für das inhaltliche Konzept, die Auswertung, die Dateneingabe sowie für die Konzeption und den Zeitpunkt der Rückmeldungen. Das habe zur Folge gehabt, dass sich der Arbeitsaufwand für die Kolleginnen und Kollegen auf ein angemessenes Niveau reduziert habe.
Dementsprechend sind nach Auskunft des MSW die Online – Rückmeldungen zu den Lernstandserhebungen aus den Schulen überwiegend positiv. Dies steht in deutlichem Widerspruch zu den Äußerungen von Beschäftigten in den Personalversammlungen.
Der Hauptpersonalrat fordert deshalb die Kolleginnen und Kollegen dazu auf, die Möglichkeit der Online – Rückmeldung stärker zu nutzen.“
(Info des Hauptpersonalrates Gesamtschulen Mai 2006)

Nach Auswertung der Arbeiten haben die Schulen einen Bericht an die Schulaufsicht zu schreiben, der die Ergebnisse der Lernstanderhebungen der Klassen und Lerngruppen sowie der Schule insgesamt und die Stärken und Schwächen in den untersuchten Teilleistungsbereichen beschreibt. Außerdem sollen die daraus zu ziehenden Konsequenzen dargestellt werden. Zur Vereinfachung der Berichterstattung in der Schulkonferenz sowie der Übermittlung der Schulergebnisse an die Schulaufsicht werden den Schulen ausführliche Hilfsmittel auf dem Bildungsserver zur Verfügung gestellt. Den Förderschulen stellte man frei, sich an den Tests zu beteiligen.

Die Ergebnisse der Lernstandserhebungen vom Mai 2007 waren allerdings niederschmetternd. „Jeder dritte Schüler kann kaum lesen“ war in den Überschriften der Tageszeitungen Mitte August zu lesen. Verheerend ist die Bilanz für den Mathematiktest: 29 % aller Schüler erreichten nicht einmal die Grundanforderungen. Auch an den Gymnasien ist es nicht viel besser. Die Ursachen sind vielfältiger Natur. Natürlich wird man die Hauptschuld erstmal wieder den Lehrern zuweisen.

Das Ministerium hat inzwischen mehrere Pakete von Materialien zu den Lernstandserhebungen entwickeln lassen, die alle auf dem Bildungsserver abgelegt sind.

Im Februar 2007 wurden die neuen Modalitäten für das Jahr 2008 bekannt gegeben. Durch einenErlass vom 20.12.2006 wurde die Bewertung neu definiert. Demnach fließen die Ergebnisse der Lernstandserhebungen in die Leistungsbewertung ein. Sie werden außerhalb der Beurteilungsbereiche „Schriftliche Arbeiten“ und „Sonstige Leistungen im Unterricht“ bei der Festlegung der Halbjahresnote ergänzend berücksichtigt. Allerdings ist das immer noch keine klare Aussage. Auch hier drückte sich wieder das Ministerium. Die Forderungen waren jetzt zwar etwas konkreter als ein Jahr vorher, aber wieder so schwammig, dass dem Lehrer in der Schule damit wenig geholfen ist. Er soll nämlich die Leistungsbewertung der Lernstandsergebnisse in „eigener Verantwortung und pädagogischer Freiheit“ vornehmen. Im Erlass heißt es im Abschnitt 3:

3. Berücksichtigung der Ergebnisse bei der Leistungsbewertung

3.1 Die Ergebnisse der Lernstandserhebungen werden neben dem Beurteilungsbereich „Schriftliche
Arbeiten“ und dem Beurteilungsbereich „Sonstige Leistungen im Unterricht“ bei der Leistungsbewer-
tung angemessen berücksichtigt (§ 48 Abs 2 SchulG).
3.2 Die jeweils unterrichtende Fachlehrkraft entscheidet in eigener Verantwortung und pädagogischer
Freiheit über die Beurteilung der Lernstandserhebungen. Die Bewertung der erbrachten Leistungen
erfolgt unter angemessener Berücksichtigung
– der bisher erbrachten Leistungen der Schülerin oder des Schülers im Unterricht,
– der Bewertung der Aufgabenschwierigkeiten vor dem Hintergrund des erteilten Unterrichts,
– den von der Klasse oder der Lerngruppe bei den Lernstandserhebungen erzielten Ergebnissen.
3.3 Der Bewertung der Lernstandserhebungen werden die folgenden Kategorien zu Grunde gelegt:
a) Die Ergebnisse übertreffen die bisher im Rahmen der Leistungsüberprüfung erbrachten Leistungen
der Schülerin oder des Schülers.
b) Die Ergebnisse entsprechen den bisher im Rahmen der Leistungsüberprüfung erbrachten
Leistungen der Schülerin oder des Schülers.
c) Die Ergebnisse liegen unterhalb der bisher im Rahmen der Leistungsüberprüfung erbrachten
Leistungen der Schülerin oder des Schülers.
3.4 Bei der Festlegung der Zeugnisnote werden bei der Entscheidung zwischen zwei Notenstufen
Ergebnisse der Kategorie a) positiv und Ergebnisse der Kategorie c) negativ berücksichtigt.

Man scheut sich also davor, eine Note zu vergeben, sondern lässt wiederum den Lehrer allein, der nun aus drei Leistungsstufen 6 Noten machen muss. Dabei wird auch nicht ausgesagt, um wie viel sich die Zeugnisnote verbessern oder verschlechtern soll. Weiterhin soll es nur zutreffen, wenn die Zeugnisnote zwischen zwei Notenstufen variiert. Variiert sie gar nicht, kommt das Ergebnis der Lernstandserhebung gar nicht zum Tragen. Besser wäre es gewesen, die Lernstandserhebung als eine Klassenarbeit zu werten. Dann hätte man mit allem keine Probleme gehabt.
Aber da man wahrscheinlich große Angst vor schlechten Ergebnissen hat, hat man davon abgesehen.

Zentrale Lernstandserhebungen werden nicht als Klassenarbeit gewertet und nicht benotet.

Durch Erlass vom 25.2.2012 (BASS 12-32 Nr.4) wurde nochmals betont, dass zentrale Lernstandserhebungen  wichtige diagnostische Verfahren sind, um Aussagen über die fachlichen Kompetenzen zu erhalten, die in den Lerngruppen erreicht wurden. Mehr aber auch nicht. Sie werden weder als Klassenarbeit gewertet, noch benotet und sind auch keine Grundlage für eine Schulformempfehlung gemäß §11 Abs. 4 SchG. Der Erlass vom 20.12.2006 wurde dann entsprechend abgeändert.

Teures Zentralabitur

Erstmals für die schriftlichen Prüfungen im Abitur 2007 wurden die Aufgaben nicht mehr individuell durch die Fachlehrerinnen und Fachlehrer, sondern zentral und landeseinheitlich für das jeweilige Abiturfach gestellt. Da die vorhandenen Lehrpläne nicht die notwendigen Angaben dafür enthalten, sind  für alle Fächer inhaltliche Vorgaben entwickelt worden, die als Basis für die Aufgaben der schriftlichen Prüfungen dienen.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten in den letzten beiden Jahren soll jetzt endlich  ein Abitur ohne Pannen ablaufen. Für die 76000  Schülerinnen und Schüler, die 2009 am Abitur teilnahmen, hat das Ministerium mehr als 100 Experten engagiert, die die Aufgabenstellungen prüften. Die Kosten dafür belaufen sich auf 500 000 € pro Jahr. Ein Armutszeugnis für ein Schulministerium, das nicht einmal aus den eigenen Reihen Fachleute dazu beauftragen kann. Früher wurden auch von den Schulen Abiturvorschläge an die Fachdezernenten bei den Bezirksregierungen geschickt, die dort überprüft und genehmigt wurden. Warum können diese Fachdezernenten das nicht auch im Auftrag des Ministeriums für das Zentralabitur erledigen?

Lernstandserhebungen 2010 als Beispiel

Inzwischen gibt es vier Bausteine zur Überprüfung der Lernleistungen in NRW, zu denen auf der Webseite des Schulministeriums ausführliche Handlungsanweisungen existieren:

 Lernstandserhebungen 8

Mit zentralen Lernstandserhebungen in Klasse 8 sollen Lehrerinnen und Lehrer die Leistungen ihrer Klassen schulübergreifend einordnen und an ausgewiesenen Standards messen können. Das Angebot informiert u.a. über die Ziele der Lernstandserhebungen, erläutert die Aufgabenformate und bietet Hinweise zur Auswertung. Wichtige Papiere und Materialien werden zum Download angeboten. Eine umfangreiche Liste mit den häufigsten Fragen und Antworten zum Thema Lernstandserhebungen rundet das Angebot ab.

Vera3Vergleichsarbeiten 3

Mit zentralen Lernstandserhebungen in Klasse 3 (vorher Klasse 4) sollen Lehrerinnen und Lehrer die Leistungen ihrer Klassen schulübergreifend einordnen, an den in den Lehrplänen ausgewiesenen Bildungszielen messen und damit ihren Lern- und Förderbedarf feststellen können. In der Grundschule werden Lernstandserhebungen auch VERgleichsArbeiten genannt, weil sie im Rahmen des länderübergreifenden Kooperationsprojekts VERA durchgeführt werden. Das Angebot informiert u.a. über die Ziele von VERA, erläutert die Aufgabenformate und bietet Hinweise zum Umgang mit den Ergebnissen. Wichtige Papiere und Materialien werden zum Download zur Verfügung gestellt.
Die GEW äußert sich sehr kritisch zu den Vergleichsarbeiten, weil sie nach ihrer Meinung für Kinder des 4. Schuljahres entwickelt wurden und nicht auf jüngere Kinder anwendbar sind. Außerdem würden die Auswertungsmuster nicht den Korrekturverfahren für die Grundschule entsprechen, die Durchführung nicht einer wissenschaftliche fundierten Datenerhebung entsprechen und die Testdauer würde die Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern benachteiligen.

Zentralabitur NRW

Die Allgemeine Hochschulreife wird in Nordrhein-Westfalen in Zukunft nach einem neuen Verfahren mit zentral gestellten Prüfungsaufgaben vergeben. Die gymnasiale Oberstufe begann 2007, das Weiterbildungskolleg folgte 2008. Dieses Angebot gibt einen Überblick über die verschiedenen Verfahren zum Zentralabitur NRW und führt hin zu den spezifischen Angeboten.

Zentrale Prüfungen am Ende der Klasse 10 

Der mittlere Schulabschluss (Fachoberschulreife) und der Hauptschulabschluss nach Klasse 10 werden in Nordrhein-Westfalen ab dem Schuljahr 2006/07 in einem neuen Abschlussverfahren vergeben. Alle Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen an Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen nehmen daran teil. Den Kern des neuen Verfahrens bilden schriftliche Prüfungen mit zentral gestellten Aufgaben in den Fächern Deutsch, Mathematik und in einer Fremdsprache.

Derzeitiger Stand der Entwicklung

Das Schulministerium hat inzwischen eine eigene Webseite Standardsicherung mit umfangreichen Themen rund um die zentralen Prüfungen, zentrale Klausuren und das Zentralabitur entwickelt. Sie ist sehr gut gemacht und enthält nicht nur die Ergebnisse von 2015 bis 2017, sondern auch schon frühzeitig die Termine zu den Prüfungen der nächsten Jahre. Dazu stehen Checklisten und Broschüren als Download zur Verfügung. Zur Unterstützung des Unterrichts und zur Vorbereitung auf die Prüfungen werden sogar Beispielaufgaben angeboten.

Weitere Hinweise:

Thema/TitelInternet-Adresse
Verbindliche Vorgaben  zur Vorbereitung auf die zentralen Prüfungenhttps://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/
Vorgaben zu den Abiturarbeitenhttps://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/zentralabitur
Vergleichsarbeiten für die Klasse 3https://www.schulentwicklung.nrw.de/e/vera3
Zentrale Prüfungen am Ende der Klasse 10https://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de