Verschlüsselung und Entschlüsselung der dienstlichen Beurteilung



Sogar dem Profi bereiten die Formulierungen bei der Erstellung einer dienstlichen Beurteilung noch Schwierigkeiten. Nicht unbedingt, weil dem Schreiber die Beurteilung schwer fällt oder er nicht weiß, wie er jemanden beurteilen soll, sondern vielmehr, weil er nach trennscharfen Begriffen sucht, die die Note 1 von der Note 2 oder Note 3 deutlich voneinander unterscheiden.

Vor dem gleichen Problem stehen die Kolleginnen und Kollegen, die ihre dienstliche Beurteilung lesen. Oft wissen sie nicht, wie sie die Formulierungen interpretieren sollen oder welche Bewertung sie wirklich darstellen.

Diese Schwierigkeit hat dazu geführt, dass sich im Laufe der Zeit eine regelrechte Sprache der Arbeitszeugnisse entwickelt hat, die man erst entschlüsseln muss, bevor man die Note richtig einordnen kann. Das wurde noch dadurch verschärft, dass keiner mehr bereit war, die Wahrheit zu schreiben, sondern jeder versuchte, alles noch irgendwie positiv auszudrücken.

Diese Tendenz hat nicht vor der Schule halt gemacht, wobei man jedoch zugeben muss, dass die Sprache der Lehrer und Schulleiter ehrlicher ist. Beide sind noch eher geneigt, die Tatsachen beim Namen zu nennen und das auch zu schreiben, was sie meinen.




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Hier ein typisches Beispiel für eine Beurteilung:

Beurteilen Sie folgende Aussage:

Die meisten dienstlichen Pflichten und Aufgaben werden von Herrn Mustermann zuverlässig und einwandfrei erfüllt. Er ist mäßig belastbar und signalisiert Einsatzbereitschaft. Den Schülerinnen und Schülern gegenüber besitzt er eine angemessene Autorität; die Eltern sind mit seiner Erziehungsarbeit zufrieden. Alle  Kolleginnen und Kollegen schätzen ihn als Gesprächspartner wegen seiner freundlichen Art.

Welche Note würden Sie dafür erteilen? 1,  2,  3,  4,  5  ?

Sie stellen fest, dass Sie den Text mehrmals lesen müssen. Manche Formulierungen sind ziemlich positiv, manche enthalten aber Einschränkungen, sodass am Ende vielleicht nur eine ausreichende Note herauskommt. Vielleicht ist sie aber auch noch schlechter?

Deshalb ein kleiner Kurs zur Entschlüsselung:

¨    Die mangelhafte Bewertung:

Betrachten Sie einmal den ersten Satz: Da ja nichts negativ gemeint ist, ist eine Formulierung mit neutralen Begriffen zunächst als mangelhaft einzustufen. Sie müssen schließlich davon ausgehen, dass die einwandfreie Pflichterfüllung die Mindestleistung ist, die ein Lehrer zu erbringen hat. Erbringt er sie einwandfrei, ist das zunächst einmal ausreichend. Wird eine Einschränkung gemacht (wie z.B. „Die meisten“), so ist das schlechter.

¨     Die ausreichende Bewertung:

Der zweite Satz zeigt bei der Belastbarkeit bereits eine Einschränkung und deutet auf eine Durchschnittlichkeit hin. Wenn jemand Einsatzbereitschaft signalisiert, heißt das nur, dass er sie zu erkennen gibt, aber nicht, ob er es ist. Aber immerhin ist das Signal positiv. Also ausreichend.

¨     Die befriedigende Bewertung:




Im dritten Satz bedeutet die Autorität, dass sie angemessen ist, also nicht zu gering und nicht zu hoch. Damit befriedigend.
Das trifft auch für den vierten Satz zu, da die Eltern zufrieden sind.
Der fünfte Satz ist ebenfalls durchschnittlich; das Verb „schätzen“  ist positiv besetzt und zeigt eine durchschnittliche Bewertung, während das Adjektiv „freundlich“ diese etwas anhebt. Insgesamt also etwas besser als durchschnittlich.

¨     Die gute Bewertung:

Es muss sich um Sätze handeln, die mit den Attributen „gut“ oder „überdurchschnittlich“ versehen sind. Sie fehlen hier völlig.

¨     Die sehr gute Bewertung

Derartige Formulierungen müssen Zusätze wie „hervorragend“ oder „außergewöhnlich“ enthalten. Davon gibt es in diesen Sätzen keine.

Insgesamt kann also der vorliegende Textbaustein nur bei höchstem Wohlwollen eines Beurteilenden mit „befriedigend“ bewertet werden, wahrscheinlich muss er aber korrekterweise als „ausreichend“ eingestuft werden. In Bayern würde er vielleicht sogar als „mangelhaft“ angesehen. Hatten Sie das so eingeschätzt?

Sie sehen, wie leicht die Note durch kleine oder große Zusätze in den Textbausteinen verändert werden kann.

Für diejenigen, die dienstliche Beurteilungen schreiben müssen, habe ich alle Begriffe gesammelt, die ich in den dienstlichen Beurteilungen gefunden habe, die ich bisher geschrieben habe. Sie helfen ungemein bei der Formulierung. Die Liste ist nicht vollständig, aber hilfreich. Bestimmt fallen Ihnen noch neue Begriffe ein.
Spielen Sie ein wenig damit und haben Sie Spaß am Schreiben von Beurteilungen! Übung macht den Meister!

Und noch ein Spaß zum Schluss:

Vielleicht kommt demnächst durch die Sprachvermischung und die neue Lehrergeneration ein völlig neuer Beurteilungsstil auf uns zu. Dann könnten Ihnen vielleicht solche Formulierungen begegnen:

Die Unterrichtsstunden von Herrn Mustermann sind ultra geil. Obwohl er megaharte Forderungen stellt, sind die Themen voll krass und werden von den meisten Tussis total cool bearbeitet. Dieser toughe Typ lässt ihnen halt irre viel Raum für die Bearbeitung und sie finden ihn super.

Wie würden Sie diese beurteilen? Von der Sprache her doch nicht viel anders, wenn man die Entschlüsselung kennt, oder ?

Schlüsselwörter zu dienstlichen Beurteilungen

In jeder Beurteilung und in jedem Arbeitszeugnis finden sich bestimmte Begriffe, die deutlich machen, ob es sich um eine sehr gute, gute oder weniger gute Bewertung handelt. Die Formulierungen haben für den Arbeitnehmer eine enorm hohe Bedeutung; oft wird sogar gerichtlich darum gestritten. Eine Formulierung, die einem „befriedigend“ entspricht, ist schon problematisch, weil sie von den Arbeitgebern als negativ angesehen wird. Dennoch können Arbeitgeber durchaus schlechte Noten erteilen. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 18.11.2014 entschieden. Die Richter folgten nicht dem allgemeinen Trend, dass heute nur noch gute bis sehr gute Zeugnisse ausgestellt würden und dass deshalb die Formulierung „zur vollen Zufriedenheit“ für die Note 3 damit hinfällig sei. Durch das Urteil ist es nun so, dass die befriedigende Formulierung die Richtschnur darstellt und von den Arbeitnehmern im Einzelnen begründet werden muss, warum sie gute oder sehr gute Leistungen bescheinigt bekommen wollen.

Leistungsbeurteilung im Zeugnis

Bescheinigt ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufriedenheitsskala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“.
Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenen falls beweisen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden.

BAG, Urteil v. 18.11.2014 “ 9 AZR 584/13 „

Die Bedeutung der Formulierungen im Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnis

Formulierung

Schulnote
Stets / jederzeit / immer zur vollsten Zufriedenheitsehr gut
Stets zur vollen Zufriedenheitgut
Zur vollen Zufriedenheitbefriedigend
Zur Zufriedenheitausreichend
im Großen und Ganzen zur Zufriedenheitmangelhaft
Stets bemühtungenügend

Diese „Schlüsselwörter“ werden vom Beurteilungsprofi, Dezernenten oder Personalmanager schnell erkannt und für die Einordnung in eine bestimmte Notenstufe herangezogen.
Sie sind natürlich auch eine wesentliche Hilfe bei der Abfassung von Beurteilungen, weil damit sofort eine bessere Klassifizierung für die Leistungsbeschreibung erreicht wird.

Beispiel:
Sie beschreiben in einer Beurteilung die diagnostischen Fähigkeiten eines Lehrers und formulieren einen Satz dazu; dieser wird durch die Schlüsselwörter variiert:

Herr Mustermann diagnostiziert in erforderlichem Maße die individuellen Leistungen seiner Schüler.
Herr Mustermann diagnostiziert treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.
Herr Mustermann diagnostiziert sehr treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.
Herr Mustermann diagnostiziert außerordentlich treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.

Hier wird deutlich, dass der Ausdruck der höchsten Wertschätzung auch durch einen entsprechenden Zusatz kenntlich gemacht werden muss. Erst dadurch wird die Bestleistung als herausragendes Merkmal deutlich. Bei juristischen Vergleichen von dienstlichen Beurteilungen bei Konkurrenzklagen habe ich immer wieder festgestellt, dass nach diesen Ausdrücken gesucht wird. Es können natürlich auch ähnliche Ausdrücke wie höchst, in höchstem Maße oder äußerst verwendet werden. Entscheidend ist, dass sich die Leistung durch den Zusatz deutlich von einer guten Leistung abhebt.

Einschränkungen definiert man leicht mit allgemeinen Zusätzen:
Herr Mustermann diagnostiziert einigermaßen treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.
Herr Mustermann diagnostiziert  relativ treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.

Zeitliche Einschränkungen werden durch temporale Zusätze beschrieben:
Herr Mustermann diagnostiziert  jederzeit treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.
Herr Mustermann diagnostiziert nicht immer treffsicher die individuellen Leistungen seiner Schüler.

In der folgenden Aufstellung finden Sie Schlüsselwörter zur Formulierung von dienstlichen Beurteilungen, die Sie beliebig kombinieren können. Sie werden feststellen, dass sich durch Kombination unterschiedlicher Begriffe sehr differenzierte Beschreibungen erreichen lassen. Die Anordnung stellt keine Wertung dar, sondern ist in jeder Spalte lediglich alphabetisch gewählt:

 

Einschätzung

Verstärkungensehr positivpositivneutral
(Höchststufe)(Beststufe)(bessere Stufe)(Grundstufe)
absolutausgezeichnetaktivadäquat
auffallendbeeindruckendanerkanntakzeptabel
aufs Höchstebeispielhaftanerkennenswertakzeptiert
äußerstbemerkenswertansprechendangemessen
ausgesprochenenormaufwändigangenehm
außergewöhnlichexzellentausdauerndaufgabengerecht
außerordentlichfaszinierendbeachtlichbeständig
beispielhaftgenialbeliebtdistanziert
besondersgroßartigbelastbardurchschnittlich
durch und durchherausragendbeweglicherforderlich
einfachhervorragenddetailliertfachgerecht
erstaunlichhervorstechendeffektivgedeihlich
extremidealeffizientgelassen
höchstmaßgeblicheinfallsreichgrundlegend
in höchstem Maßeoptimaleinwandfreiin erforderlichem Maße
in jeder Beziehungperfektengagiertklar
in jeder Hinsichtprofessionellerfolgreichknapp
in jeder Richtungrichtungweisendfehlerfreikollegial
mehr alssehr gutfehlerloskonzeptionell
rundumsouveränflexibelkriteriengestützt
rundwegtadellosfreundlichkurz
sehrtollfruchtbarmaßvoll
totalüberlegenfundiertneutral
überausüberragendgenaunormal
unbedingtüberzeugendgeschätztnotwendig
unbeschreiblichunübertroffengeschicktökonomisch
uneingeschränktvollkommengewissenhaftordnungsgemäß
ungemeinvortrefflichgutpassend
ungewöhnlichvorzüglichideenreichpragmatisch
unwahrscheinlichzukunftsweisendimpulsgebendpraktikabel
vollimpulssetzendpraktisch 
völliginnovativpraxisorientiert 
wirklichintensivrational 
kollegialrationell  
 konsequentrealistisch 
  konstruktivsachgerecht
  konzentriertsachlich
EinschränkungenZeitangabenkreativsachorientiert
allenfallsab und zumethodischsparsam
durchwegallzeitmotivierendunauffällig
entsprechendgelegentlichmotiviertvertretbar
deutlich wenigerhäufigplanvollvorgabengemäß
durchaushäufigerpositivvorsichtig
eherimmerroutiniertzurückhaltend
einigermaßenjederzeitselbstständigzweckentsprechend
etwasmanchmalsicherzweckdienlich
fastmeistsinnvollzweckmäßig
gerade nochmituntersolide 
im Allgemeinennicht immersorgfältig 
im Großen und Ganzenoftsozial 
im Normalfallöftersystematisch 
im Wesentlichensehr oftteamfähig 
mehrseltenteamorientiert 
mehr oder wenigersoforttreffend 
nicht übermäßigstetstreffsicher 
nochvon Zeit zu Zeitüberdurchschnittlich 
normalerweisezeitweiseumfassend 
relativzeitweiligumsichtig 
schwachzu jeder Zeitvariabel 
teilweise variantenreich 
vielfach versiert 
vorzugsweise vielfältig 
wenig wesentlich 
weniger wirksam 
zum Teil wirkungsvoll 
  zielorientiert 
  zielstrebig 
  zuverlässig 
    

Drucken Sie sich diese Liste aus, dann  geht es einfacher!

Sicherlich finden Sie noch mehr Begriffe, die passen oder besser Ihrem Sprachstil entsprechen. Schreiben Sie sie auf und ergänzen Sie individuell die Liste. Wenn Sie mehr wissen wollen, kaufen Sie das Buch „Dienstliche Beurteilungen und Leistungsberichte in der Schule schnell und sicher erstellen“ aus dem Forum -Verlag. Darin habe sind die Fallstricke der dienstlichen Beurteilung genau erklärt.

Der Praxisratgeber enthält außerdem eine CD mit fertigen Textbausteinen und Formularen. Er ist nicht nur für NRW zu empfehlen, sondern enthält spezielle Hinweise für alle Bundesländer.

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